Malen entspannt und fokussiert

Malen als Meditation
Kinder brauchen einen Ausgleich zu den vielfältigen Anforderungen, die bei ihnen Stress auslösen können – eine Möglichkeit sich zu sammeln und Körper und Geist zu entspannen. „Malen und Zeichnen kann ein regelrechter Rückzugs-ort für Kinder sein. Sich hinsetzen, vor sich hinmalen, ganz so wie man gerade will und kann – da können Kinder richtig zur Ruhe kommen“, sagt Diplom-Psychologe Michael Thiel. Das kann dazu beitragen, die Stressresistenz zu stärken. „Die Fähigkeit, mit negativem Stress umzugehen und diesen zu kontrol-lieren, kann durch Zeichnen und Malen schon früh trainiert werden. Das funktioniert ähnlich wie bei einer Meditation“, erklärt Thiel.

"Malen und Zeichnen kann ein regelrechter Rückzugsort für Kinder sein."

Malen als Meditation – das empfehlen zahlreiche Psychologen. Der New Yorker Psychologe Ben Michaelis stellt fest: „Es gibt eine lange Geschichte von Leuten, die aus Gründen der mentalen Gesundheit Malübungen ausführen. C. G. Jung
versuchte während der letzten Jahrhundertwende, die Leute zum Malen zu bewegen, um durch diese fokussierende Beschäftigung dem Unterbewusstsein die Chance zu geben, loszulassen.
Heute wissen wir, dass Malen über bedeutend mehr stressmindernde Qualitä-ten verfügt.“ Kinder entdecken schon früh ihren Spass daran, Figuren zu zeich-nen und Bilder zu erschaffen. Auf Malen und Zeichnen lassen sie sich des-halb oft leichter ein als auf andere Meditations- oder Entspannungsübungen. Die meditativen Qualitäten des Malens haben inzwischen allerdings auch Erwachsene für sich entdeckt. Nicht von ungefähr boomen Entspannungsmal-kurse und Malbücher für Erwachsene.

Beglückender Zustand: „Flow“ statt Frust
Während bei der Beschäftigung mit digitalen Medien, bei Gesellschaftsspielen oder auch beim Sport Unterbrechungen und Impulse von aussen dazugehören, können Kinder, wie auch Erwachsene beim Malen frei agieren, anstatt reagieren zu müssen. Sie alleine bestimmen ihr Tempo, wählen Farbe, Motive und Gestaltungsweise.

Während sich ein Kind oder ein Erwachsener dem Malen oder Zeichnen als kreativem Prozess hingibt, kann es / er einen Zustand erleben, der in der psychologischen Literatur als „Flow“ bezeichnet wird. In diesem Zustand wird ein Handlungsablauf harmonisch, leicht und mühelos erlebt. Die Handlung vollzieht sich quasi von selbst als würde sie einer inneren Logik folgen. Aktivität und Aufmerksamkeit verschmelzen, während sich der Malende auf sein Bild konzentriert. Das normale Zeitgefühl ist ausser Kraft gesetzt. Wie bei einer Meditation ist der Mensch vollständig im „Hier und Jetzt“ und erlebt sein Tun als leicht fliessend. „Dieser Zustand beim Malen ist wie eine Erholungsoase für das Gehirn – eine ohne Nebenwirkungen und eine, die das Kind immer wieder und auch später als Erwachsener aufsuchen kann“, ist Psychologe Michael Thiel überzeugt.

Flow kann entstehen, wenn man eine Tätigkeit ausübt, bei der die Frustration nicht größer ist als die notwendige Konzentration. Mit anderen Worten: Es wird eine Herausforderung erlebt, die handhabbar ist. Anspannung und Entspannung halten sich in etwa die Waage; man ist konzentriert, ohne überfordert zu sein. Dieser Zustand kann regelrechte Glücksgefühle auslösen. Kinder, wie auch Erwachsene die im Malen und Zeichnen einen solchen Flow-Zustand erleben, machen eine wichtie Erfahrung: Es ist befriedigend, sich zu konzentrieren und eine Aufgabe kreativ zu lösen.

Kunst verändert das Gehirn: gefülltes Blatt – gestärkt im Denken
Zeichnen und Malen wirken sich vielfältig und positiv auf das Gehirn aus. Sie aktivieren vor allem die rechte Gehirnhälfte, die für Kreativität, Emotionen und Intuition zuständig ist. Das entlastet quasi automatisch die linke Gehirnhälfte. Wissenschaftler gehen davon aus, dass so gewissermassen mehr Kapazität für kognitive Leistungen entsteht.